Dienstag, 18. Dezember 2012

Im Palast der Erinnerung


Redaktionsempfehlung:

Gilles Rozier: m Palast der Erinnerung

Die Erinnerung an Jiddischland: Der Roman über die Magie einer Sprache, einer Kultur, eines Volkes In ihrem römischen Palais, wie außerhalb der Zeit, hütet Sulamita, eine alte Dame, das Gedächtnis – an ein verlorenes Land, ein versunkenes Atlantis, wo zwischen den beiden Weltkriegen in Warschau die Poesie regierte; verfasst in Jiddisch, dieser unvordenklich alten Sprache, Muttersprache von 11 Millionen Menschen vor dem letzten Krieg. Die Waise Pierre sucht das Gespräch mit Sulamita – auf der Suche nach seiner verlorenen Vergangenheit, den eigenen Ursprüngen, nur mit dem Namen seiner polnischen Großmutter im Lebensgepäck. Sulamita antwortet ihm aus dem Palast der Erinnerung.

Wir folgen dem Werdegang von drei Dichtern, »Sternschnuppen« am Himmel von Warschau, die sich entschieden hatten, die alte Sprache Jiddisch einheimisch zu machen: Peretz Markish (1895–1952), Melekh Rawicz (1893–1976) und Uri Zvi Grinberg (1896–1981). Drei Dichter, die sich über alle Kontinente zerstreuten. Damals waren sie jung, hatten ihre Geliebten und den Ruhm in ihrer Sprache – bis zur Katastrophe, in der alles verschwand, das Land und die Bücher, die Körper und die Seelen.

»Im Palast der Erinnerung« wird alles wieder lebendig, erwachen die Geschichten, Anekdoten, Briefwechsel, Gedichte; es wiedererwachen alte Landschaften, Polen, Weißrussland, die Ukraine, Österreich-Ungarn – es leuchtet in Prosa und Poesie die Sprache eines alten Europa.

Die Mühle und das Kreuz


Ein Tipp für geruhsame Winterstunden:

Die Mühle und das Kreuz (OmU) 2011 - DVD

Im Jahr 1564 erhält Pieter Bruegel von dem reichen Antwerpener Kaufmann und Kunstsammler Nicolas Jonghelinck den Auftrag, die Kreuztragung Christi zu malen.

Er nimmt den Auftrag an, doch will er nicht eine weitere von unzähligen Versionen der Passionsgeschichte liefern, sondern etwas Besonderes schaffen: Ein Bild, das eine Vielzahl von Geschichten erzählt und das groß genug ist, hunderte von Menschen aufzunehmen.

Aber vor allem soll die Kreuzigungsgeschichte nicht im Heiligen Land, sondern in seiner flämischen Heimat spielen. Also geht Bruegel zu den Menschen auf den Höfen, Feldern und Märkten, um nach diesen Geschichten in einem Land zu suchen, das unter spanischer Herrschaft steht und in dem die Inquisitoren erbarmungslos wüten. Er hält alles in seinen Skizzen fest und beginnt auf diese Weise, die Schicksale von unzähligen Menschen virtuos miteinander zu verflechten ...


Dazu als Hintergrundinformation jenes wissenschaftliche Buch zum Gemälde von Bruegel, auf das sich der Regisseur beim Film bezieht und das in der gerade im September erschienenen deutschen Ausgabe wiederum auf den Film Bezug nimmt:

Gibson: Die Mühle und das Kreuz: Peter Bruegels KREUZTRAGUNG

Das Buch von Michael Francis Gibson konfrontiert den Leser mit dem Geschehen des überraschenden Bildes von Pieter Breugel d.A., Die Kreuztragung, ein zweischichtiges Werk, das gleichzeitig die Leidensgeschichte Christi und die Exekution eines Predigers der Reformation zu Bruegels Zeiten schildert. Das Buch ist, wie die New York Times bestaetigt, "ebenso interessant zu lesen und faszinierend wie ein erstklassiger Spionageroman", inspirierte Lech Majewski zu dem Film Die Mühle und das Kreuz. Diese neue Auflage des Buches stuetzt sich auf neue, detaillierte Photos, die es dem Leser ermoeglichen erstaunliche bisher nicht bekannte Details zu sehen.

Freitag, 30. November 2012

Licht, das singt


Ottmar Hinz (Hg.): Licht, das singt: Das Bremer Fensterwerk von Alfred Manessier, 136 Seiten, Bremen 2012

Wer die gotische Bremer Ratskirche Unser Lieben Frauen im Herzen Bremens betritt, wird sofort von den außergewöhnlichen Lichtverhältnissen und den farbenprächtigen Fenstern in ihren Bann gezogen. Zwischen 1965 und 1979 schuf der französische Maler Alfred Manessier (1911 – 1993) dieses Ensemble von 20 Kirchenfenstern, das durchaus als Meilenstein in der Geschichte der europäischen Glasfensterkunst des 20. Jahrhunderts bezeichnet werden kann. Mit Licht, das singt erscheint nun erstmals eine umfassende Darstellung dieses zeitlos modernen Werkes. Das Buch dokumentiert Manessiers Bremer Fensterkunst in Gesamt- und Detailaufnahmen und beleuchtet in Textbeiträgen unterschiedliche Facetten der Kunstauffassung und Persönlichkeit des Künstlers, die Quellen seiner Inspiration und die fruchtbare Zusammenarbeit mit den norddeutschen Auftraggebern, die sich vor 50 Jahren bewusst für die abstrakte Kunst und gegen die gegenständlich erzählende Kirchenfenstertradition entschieden haben. Manessiers Bremer Fensterzyklus entfaltet seinen ästhetischen Reiz und seine spirituelle Kraft durch nähere Betrachtung. Dieser reich bebilderte Band lädt dazu ein, einen detaillierten Blick auf und durch die gläserne Farbenpracht zu werfen.

Handbuch kulturelle Bildung


Hildegard Bockhorst / Vanessa-Isabelle Reinwand / Wolfgang Zacharias (Hrsg.)Handbuch Kulturelle BildungSchriftenreihe Kulturelle Bildung vol. 30, München 2012, 1080 Seiten

Was ist Kulturelle Bildung? Was sind ihre theoretischen Grundlagen? In welchen Handlungsfeldern, Kunstsparten, Kultur- und Bildungseinrichtungen, Kontexten und Wirkungsformen findet sie statt? Obwohl Kulturelle Bildung seit einigen Jahren in aller Munde ist und zahlreiche Positionspapiere, Stellungnahmen, Modelle und Projekte ihre Aktualität und Bedeutung betonen, gab es bisher keine Gesamtdarstellung eines von vielen Expertinnen und Experten getragenen Verständnisses Kultureller Bildung.

Das Handbuch Kulturelle Bildung versammelt nun erstmals systematisch über 180 Beiträge von fast ebenso vielen Autorinnen und Autoren, die Theorie und Praxis der Kulturellen Bildung umfassend darstellen. Teil I widmet sich den anthropologischen, pädagogischen, ästhetischen und gesellschaftlichen Fundamenten. Teil II entfaltet und bündelt die Komplexität und Vielfalt der Praxis Kultureller Bildung in Bezug auf ihre unterschiedlichen Orte, Zielgruppen und Themen und ihre politischen Dimensionen im Dreieck von Jugend-, Bildungs- und Kulturpolitik.

Dieser erste kollektive Gesamtüberblick versucht das Besondere der Kulturellen Bildung darzustellen – auch in Differenz zu anderen Disziplinen und Bildungsfeldern. Das Handbuch wendet sich damit sowohl an Praktikerinnen und Praktiker aus kulturpädagogischen und kulturvermittelnden Professionen als auch an Lernende und Lehrende in Studium und Forschung.

Dienstag, 14. August 2012

Kunst und Religion im Zeitalter des Postsäkularen


Henke/Spalinger/Zürcher (Hg.) Kunst und Religion im Zeitalter des Postsäkularen: Ein kritischer Reader

Bilden sich durch die sogenannte Wiederkehr des Religiösen in der bildenden Kunst heilige oder auch unheilige Allianzen? Dieses Buch thematisiert die Zusammenhänge von zeitgenössischer Kunst und Religion im Zeitalter des Postsäkularen, indem es das Feld zwischen privater Religiosität und kritischer Theologie auslotet.

Die Beiträge zeigen auf, wie sich religiöse Fragen im säkularen Hochschulkontext als ästhetische Herausforderungen auch im konfessionellen Sinn bearbeiten lassen und welche Bedeutung künstlerischer Arbeit für die Vermittlung von Religion außerhalb von Kirche und Politik zukommt.

Damit richtet sich das Buch nicht nur an Künstler/-innen, sondern auch an Kulturwissenschaft, Kunst- und Religionspädagogik, Theologie sowie Kuratorinnen und Kuratoren.

Leseprobe PDF

Freitag, 27. Juli 2012

documenta


Dirk Schwarze: Meilensteine: Die Documenta 1 - 13

Von Dirk Schwarze, dem langjährigen kritischen Begleiter der documenta-Ausstellungen, ist gerade die aktualisierte 3. Auflage seines Buches "Meilensteine" erschienen, die nun auch einen Blick auf die aktuelle Documenta wirft.

"Mit den fünf Kunstwerken aus der aktuellen Ausstellung präsentiert das Buch jetzt 60 Kunstwerke und Künstler. Aus der dOCUMENTA (13) werden Mark Dion, Fiona Hall, William Kentridge, Gohka Macuga und Yan Lei mit ihren Räumen vorgestellt." 


Freitag, 20. Juli 2012

Die Sprache der Liturgie


Meyer-Blanck (Hg.): Die Sprache der Liturgie

Die Agende ist Anwalt der Kirche gegenüber den flatterhaften Tagesemotionen des Liturgen. Aber Liturgie funktioniert nur, wenn sie gesprochen wird, als handle es sich um individuell geprägte Texte. Das ist das Geheimnis liturgischer Kunst. »Was hat nun der Geistliche hier zu tun? Im wesentlichen hat er es mit der Sprache zu tun«, schrieb schon Schleiermacher. Die »religiöse Thätigkeit« des Liturgen sei das Mittel, »die religiöse Thätigkeit aller anderen zu erhöhen. Dies fällt in den Begriff der Kunst« (Praktische Theologie, 75).

Mit der Kunst der Sprache in der Liturgie beschäftigte sich das 3. internationale Bugenhagen-Symposium in Braunschweig im September 2011, das hier dokumentiert wird.

Mit Beiträgen von Jochen Arnold (Hildesheim / Leipzig), Alexander Deeg (Leipzig), Siegfried Eckert (Bonn), Erich Garhammer (Würzburg), Hans-Martin Gutmann (Hamburg), Andreas Mertin (Hagen), Michael Meyer-Blanck (Bonn), Holger Milkau (Neapel) und Ilona Nord (Hamburg).

Dienstag, 17. Juli 2012

Von der Freiheit


Wolfgang Huber: Von der Freiheit: Perspektiven für eine solidarische Welt

Der langjährige EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber entdeckt die reformatorische Freiheit eines Christenmenschen für unsere Zeit neu: Sie umfasst den Abschied vom Verfügen und den Aufbruch zu einem guten und gerechten Leben. Freiheit wird gerne mit Verantwortungslosigkeit und Bindungslosigkeit verwechselt. Wolfgang Huber zeigt demgegenüber, dass sich Freiheit in christlicher Perspektive gerade in der Solidarität entfaltet. Sie ist keine reine Privatsache und kein Freizeitvergnügen, sondern wird vor allem im sozialen, öffentlichen und politischen Leben wirksam. Solidarität mit den Schwachen, Rücksicht auf künftige Generationen und Verantwortung für das Ganze sind keine Beschränkungen, sondern Folgen einer kommunikativ und solidarisch verstandenen Freiheit.

Sonntag, 8. Juli 2012

Theologische Klangrede


Rüdiger Bartelmus: Theologische Klangrede - Musikalische Resonanzen auf biblische Texte

Theologie und Musik - Musik und Theologie: Die Frage nach der Beziehung bzw. der gegenseitigen Beeinflussung dieser beiden eigenständigen, aber doch auch eng aufeinander bezogenen Größen bildet das einigende Band, das die zehn hier vorgelegten Aufsätze zusammenhält. In der Mehrzahl der Beiträge geht es um die Frage, was passiert, wenn biblische Texte mit musikalischen Mitteln zum Sprechen gebracht werden. Es wird aber auch in umgekehrter Richtung gefragt, wie aus biblischen Vorlagen Textbücher entstehen, die geeignete Vorlagen für Kompositionen bilden können; das schließt Reflexionen betreffs der Übersetzbarkeit solcher Texte in andere Sprachen ein. Nur der Aufsatz zu den Davidpsalmen ist etwas anders fokussiert: Es geht um die Rolle der Psalmen in der Musik- wie in der Theologiegeschichte.

30 Jahre Joseph Beuys 7000 Eichen


Joseph Beuys. 30 Jahre. 7000 Eichen

Am 16. März 1982 pflanzte Joseph Beuys anlässlich der documenta 7 vor dem Portal des Fridericianums die erste seiner 7000 Eichen. 30 Jahre später will die Stiftung 7000 Eichen mit der an die Bedeutung des Werkes und an die Aktualität des Beuys'schen Denkens erinnern. Mit einer Vielzahl von Bildern sowie mit verschiedenen Essays wird die ständig sich wandelnde Gestalt und Wirkungsgeschichte dieser lebendigen Plastik dokumentiert. In anderen Beiträgen wird dem Einfluss von Beuys auf die zeitgenössische Kunst nachgegangen wie er sich u. a. an den in der Kunsthalle Fridericianum gezeigten Arbeiten junger Konzeptkünstler nachweisen lässt. Auf der diesjährigen dOCUMENTA (13) werden die Ideen von Beuys in verschiedenen Arbeiten sichtbar, stellvertretend seien Giuseppe Penone oder Jimmie Durham genannt.

Samstag, 9. Juni 2012

Empfindungskörper - Zur indirekten Erfahrung


Nils Röller: Erfindungskörper - Zur indirekten Erfahrung: Flusser Lectures

Eine kratzende Schreibfeder oder das sanfte Streifen der Finger über Touchscreens bilden Formen der Erfahrung. Sie prägen user Denken, Fühlen, Wünschen und Handeln. Der Begriff "Empfindungskörper" ist ein Vorschlag, dies zu erfassen.

Mittwoch, 6. Juni 2012

Ästhetik und Kunstphilosophie


Ästhetik und Kunstphilosophie: In Einzeldarstellungen von der Antike bis zur Gegenwart

In rund 160 strukturierten Einzeldarstellungen stellen ausgewiesene Fachleute auf 934 Seiten die zentralen Positionen der europäischen und angloamerikanischen Ästhetik und Kunstphilosophie vor. Die Darstellungen enthalten jeweils eine Kurzbiographie, eine kompakte Darsatellung des OEuvres, eine Orientierung zu Kontext und Rezeption sowie eine Bibliographie.

Ein unentbehrliches Nachschlagewerk für Studierende, Dozierende, Künstler und Galeristen.



Die Tragödie


Greiner: Die Tragödie: Eine Literaturgeschichte des aufrechten Ganges, Grundlagen und Interpretationen

Seit 2500 Jahren deuten die Menschen sich selbst und ihre Stellung in der Welt anhand der Tragödie. Ihr Frage- und Erklärungspotential vermag uns offenbar bis heute zu erregen, zu fesseln und zu immer neuer schöpferischer Leistung anzuregen. Nach seinem Standardwerk zur Komödie (A. Francke/UTB 22006) zeichnet Bernhard Greiner die Geschichte der zentralen dramatischen Gattung nach: Intensiv setzt er sich mit der antiken Tragödie auseinander, sodann mit Vertretern der Gattung in der englischen und französischen Literatur des 16. und 17. Jh.s, anschließend wird die deutsche Tragödie vom 17. Jh. bis zur Gegenwart in ihren wichtigsten Vertretern vorgestellt. Es folgt eine Übersicht der zentralen Tragödientheorien von Aristoteles bis zu Nietzsche und Benjamin. Die Interpretation exemplarischer Werke dient dabei als Ausgangspunkt zur Erläuterung leitender Fragestellungen, von Spielarten und Begründungszusammenhängen der Tragödie in der jeweiligen Epoche – literarische Interpretation, theoretische Reflexion und historische Einbettung werden verbunden. So fasst das Überblickslehrbuch das Grundlagenwissen zur Tragödie und ihrer Geschichte systematisch und historisch strukturiert zusammen.

Bernhard Greiner hat Germanistik, Philosophie, Wissenschaftliche Politik und Geschichte studiert. Er war Professor für Neuere deutsche Literaturgeschichte an der Universität Freiburg an der Universität Tübingen. Für zwei Jahre war er Inhaber des Walter Benjamin Lehrstuhls an der Hebräischen Universität Jerusalem und hielt Gastprofessuren in den USA, Israel, Australien und China. Er schrieb zahlreiche Veröffentlichungen mit den Schwerpunkten Drama und Theater, Literatur der deutschen Klassik und Romantik, deutsch-jüdische Literaturbeziehungen, Literatur des 20. Jh.s und Literaturtheorie.

Samstag, 26. Mai 2012

Gott - Welt - Mensch im 21. Jahrhundert


Die Artikelreihe, die Stefan Schütze in den letzten Jahren unter dem Stichwort "Paradigmen theologischen Denkens" im Magazin für Kunst | Kultur | Theologie | Ästhetik veröffentlicht hat, ist nun in erweiterter und überarbeiteter Form als Print-Ausgabe im Grin-Verlag München erschienen.

Das bietet die Möglichkeit, sich den Text noch einmal in physischer und greifbarer Form vor Augen zu führen.

Stefan Schütze: "Gott", "Welt" und "Mensch" im 21. Jahrhundert: Paradigmen theologischen Denkens: Auf der Suche nach einem für mich heute trag- und sagfähigen Glauben

Mittwoch, 2. Mai 2012

Kulturkirche St. Johannis


Kulturkirche Altona: "...auf dass mein Haus voll werde": Kirche öffnen - Profil gestalten

Einen Rückblick auf 15 Jahre Kulturkirche S. Johannis in Hamburg Altona bietet dieses Buch. Das ist insofern etwas Besonderes, als dass diese Kulturkirche die radikalste Öffnung zur Profanität bei Wahrung ihrer religiösen Identität vollzogen hat. Wer also schauen will, was öffnende Kulturkonzepte zu bewirken vermögen, sollte in dieses Buch schauen.

Samstag, 28. April 2012

Unerlöste Fälle


„Ohne Zweifel trägt der Kriminalroman alle Merkmale eines blühenden Literaturzweigs zur Schau." Brechts Diagnose der späten 1930er Jahre liefert auch eine adäquate Beschreibung der Gegenwart: Der Krimimarkt floriert - und er tut es nicht zuletzt in Gestalt religionsaffiner Kriminalliteratur. Dass sich das Genre durch eine prinzipielle Nähe zu religiösen Horizonten auszeichnet (etwa wegen des Widerstreits zwischen Gut und Böse, der Thematisierung von Schuld und Sühne oder der Erlöserrolle des Ermittlers), wird ebenso oft behauptet wie bestritten. Offenkundig ist zumindest, dass nicht wenige Einzeltexte der neueren kriminalliterarischen Produktion in teilweise offensiver Weise religiöse Traditionen und Probleme einspielen und bearbeiten. Diese vielfältigen Zusammenhänge - ausgespannt zwischen ausdrücklichen Bezügen und strukturellen Phänomenen - lotet der vorliegende Band aus. Er versammelt Beiträge von Fachwissenschaftler innen verschiedener Disziplinen und umfasst ebenso Einzelinterpretationen wie breiter perspektivierte Erkundungen der Gattungs- und Forschungsgeschichte.

Mit Beiträgen von: Brigitte Boothe, Christoph Gellner, Tobias Gohlis, Mike Gray, Joachim Linder, Petros Markaris, Andreas Mauz, Regine Münz, Elio Pellin, Adrian Portmann, Christine Stark, Heinrich Steinfest, Jochen Vogt, Folkart Wittekind, Thomas Wörtche.

Mauz/Portman (Hrsg.): Unerlöste Fälle: Religion und zeitgenössische Kriminalliteratur

Freitag, 27. April 2012

Das wunderbarliche Vogelnest


Davon können wir Leser nur träumen – oder eben lesen: Das wunderbarliche Vogelnest macht seinen Besitzer unsichtbar und eröffnet ihm Gelegenheiten zu allem Möglichen, was sonst unmöglich wäre. In einer Fülle komischer Szenen, amouröser Episoden und drastischer Streiche lässt Grimmelshausen zuerst einen einfachen Soldaten und dann einen machtbesessenen, reichen Kaufmann erzählen, wie es ihnen mit dem Vogelnest ergangen ist, und zeichnet dabei ein Panorama der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg. Täuschung und Selbsttäuschung sind allgegenwärtig, denn nicht nur der Krieg – auch der Frieden bringt, auf seine Weise, eine »verkehrte Welt« hervor. Grimmelshausen interessiert sich aber nicht nur dafür, was seine Figuren aus ihrer Unsichtbarkeit machen. Er geht auch der umgekehrten Frage nach: Was macht die Unsichtbarkeit aus ihnen? Der Kaufmann gerät ihm hierüber zur schwärzesten Figur, die er je geschaffen hat. Inmitten von Komik und Phantastik tun sich Abgründe auf ...
Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen wurde 1621 oder 1622 im hessischen Gelnhausen geboren. Den Dreißigjährigen Krieg hat er von 1634 bis zum Friedensschluss 1648 aus nächster Nähe erlebt. Später wurde er Burg- und Gutsverwalter, zeitweise auch Gastwirt am Oberrhein und starb dort im August 1676 als Schultheiß von Renchen. 1672 und 1675 erschienen die beiden Bücher vom Wunderbarlichen Vogelnest.

Das wunderbarliche Vogelnest: Erster und zweiter Teil Abenteuer zweier Unsichtbarer Aus dem Deutschen des 17. Jahrhunderts und mit einem Nachwort von Reinhard Kaiser

Donnerstag, 29. März 2012

Gesellschaftliche Bedeutung von Kirchenräumen


Trotz zunehmenden Bedeutungsverlusts der kirchlich-institutionalisierten Religion nimmt das soziale Phänomen eines bürgerschaftlichen Engagements für Kirchengebäude zu. Am Beispiel backsteingotischer Stadtkirchen im Ostseegebiet analysiert Anna Körs die Bedeutung von Kirchenräumen aus der Nutzerperspektive. Unter Einbezug eines relationalen Raumverständnisses und einer breit angelegten Mixed-Methods-Studie bietet sie eine empirische Anwendung und leistet einen Beitrag zur raum- und kultursoziologischen Theoriebildung.

Anna Körs: Gesellschaftliche Bedeutung von Kirchenräumen: Eine raumsoziologische Studie zur Besucherperspektive, Wiesbaden 2012

Erkenntnis und Interpretation


Angesichts des modernen Verlustes von Absolutheit lassen sich Religion und Theologie zunehmend als Deutung und Interpretation verstehen, die dadurch wiederum als Gewinn für das Denken begreifbar werden. Dies zeigt Katharina Eberlein-Braun an den Ansätzen Theodor W. Adornos und Karl Barths, deren Gemeinsamkeiten im deutenden und interpretierenden Verfahren - das methodisch unmethodisch (Adorno) ist und das grundsätzlich Ungrundsätzliche (Barth) betont - sie herausarbeitet. Dieses Denken kann als Vollzug von Transzendenz beschrieben werden und hat Konsequenzen für zentrale Begriffe der philosophischen und theologischen Tradition, wie Erfahrung, Freiheit und Versöhnung. Diese bilden die Schlüsselbegriffe für das Denken Adornos und Barths, zugleich zieht ein Moment von Kontingenz in sie ein. Dadurch gewinnen die klassischen Begriffe der Tradition an Lebensnähe und Aktualität.

Katharina Eberlein-Braun: Erkenntnis und Interpretation: Kritisches Denken unter den Voraussetzungen der Moderne bei Theodor W. Adorno und Karl Barth, Tübingen 2011

Freitag, 24. Februar 2012

Kirchen - Nutzung und Umnutzung



Büchse u.a.: Kirchen - Nutzung und Umnutzung: Kulturgeschichtliche, theologische und praktische Reflexionen, Münster 2012

Das Thema Kirchennutzung und -umnutzung zählt gegenwärtig zu den großen Strukturherausforderungen der christlichen Kirchen in Deutschland, gleich ob auf der Ebene der Kirchenleitungen in den Diözesen und Landeskirchen oder in den betroffenen Gemeinden vor Ort.

Der Band beleuchtet die vielschichtige Thematik in einer Reihe von fundierten Beiträgen aus unterschiedlichen fachlichen und praktischen Perspektiven; zahlreiche Abbildungen illustrieren zudem Beispiele und Sachverhalte. Fachleuten und Interessierten gleichermaßen bietet das Buch damit Information und richtungsweisende Anstöße.

Dienstag, 7. Februar 2012

Edwin Geist


"Was ich möchte? Ich will meine Frau wieder zurückhaben, die unschuldig im Ghetto leidet!" (Edwin Geist, 1. April 1942)

Ein ergreifendes Zeugnis aus der Schreckenszeit der Massenmorde an den Juden. Wir werden Leser von intimen Tagebuchblättern, die nie für fremde Augen bestimmt waren; von Zwiegesprächen, die Edwin Geist mit der im gar nicht fernen Ghetto internierten, aber doch unerreichbaren, geliebten Frau führt - mit Lyda. Der als Halbjude von den Nationalsozialisten mit Berufsverbot bestrafte Komponist Edwin Geist war 1938 von Berlin ins litauische Kaunas gegangen, wo er sich in Lyda verliebte und sie heiratete.

Reinhard Kaiser ist vor Jahren auf diese atemberaubenden fünf Hefte gestoßen - und hat sie nun neu ediert und kommentiert. Sie zeugen von dem Mut und der List, mit der Edwin Geist bei den Nazi-Behörden die Freilassung seiner geliebten Lyda erreicht - nachdem es ihm selbst schon glücklich gelungen war, dem Ghetto zu entkommen. Edwin Geists Alltagschronik aus sechs Monaten erzählt von seiner Hoffnung und seiner Verzweiflung, von seinen Kompositionen und Lektüren - beim Warten auf Lyda.

Das "Tagebuch für Lyda" ist aber nicht nur ein Dokument der - wenn auch leider nur kurzzeitigen - Rettung dieses wundersamen Paares. Zur Geschichte dieses Tagebuchs gehören auch seine Odyssee - aus dem Kaunas der Nachkriegszeit bis zu Reinhard Kaiser - und die abenteuerlichen Wege des musikalischen Werkes eines Komponisten, der nun auch anhand von Proben auf einer CD wiederentdeckt werden kann.

Edwin Geist, "Stündlich zähle ich die Tage! ...": Tagebuch für Lyda. März - August 1942 (Hg. von Reinhard Kaiser)

Freitag, 3. Februar 2012

Der Durchstreicher


Neun Geschichten handeln von Künstlern, Kunstfälschern, konkurrierenden Architekturprofessoren, einem Unternehmer, der einen Pfarrer kauft, einem Baron, der für seinen Sohn einen Doktortitel erwerben will und anderen auffällig gewordenen Zeitgenossen. Obgleich die Geschichten auf den ersten Blick kaum zu glauben sind, haben sie meist einen realistischen Kern. Mit Schmunzeln und Augenzwinkern vermittelt der Autor, dass Alltägliches und Fiktion mitunter nahe beieinander liegen und bereits der Alltag satiretauglich ist.

Horst Schwebel, geboren in Frankfurt am Main, Studium der Philosophie, Theologie und der Christlichen Archäologie. Promotion, Ordination, Habilitation. Professor für Praktische Theologie und Direktor des Instituts für Kirchenbau und kirchliche Kunst der Gegenwart in Marburg (1980 -2006). Ausstellungskurator. Ehrendoktor in Helsinki, Fellow in Berkeley, CA. Zahlreiche Veröffentlichungen im Grenzbereich von Kunst und Theologie, u. a. "Die Kunst und das Christentum". Als freier Autor Veröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien. 

Horst Schwebel, Der Durchstreicher, Marburg 2012

Sonntag, 29. Januar 2012

Wunder


Wunder: Ausstellung: Deichtorhallen Hamburg

Wunder das ist das Buch zur Ausstellung über die Grenzen abendländischer Rationalität - an ihren Rändern, in ihrem Innern und in ihrer Geschichte. Werke der Gegenwartskunst umkreisend, beschäftigen sich die interdisziplinäre Ausstellung und das Buch mit dem, was in unserer Welt aus dem Rahmen fällt: von der unerklärlichen Heilung, dem unglaublichen Naturschauspiel und dem wundersam Fremden über die unverhoffte technische Innovation, die künstlerische Idee bis hin zum bloßen Zufall.

Die Exponate aus allen gesellschaftlichen Bereichen zeichnen nach, wie christliche Religion und antike Naturphilosophie unsere Vorstellung des Wunders geprägt haben. Das Wunder wird so kenntlich als eine Öffnung in der Welt, aus der Kunst, Wissenschaft und Technik hervorgegangen sind. Während letztere eher zweck- und zielorientiert sind, zeichnet sich die Kunst durch einen ungleich größeren Freiheitsgrad aus, dieser Öffnung immer neue Gestalt zu verleihen und sie zur Diskussion zu stellen.

Die Öffnung, die das Wunder in unserer Kultur verkörpert, verweist immer auch auf einen Mangel, eine Lücke, die zu schließen ebenso ersehnt wie unmöglich ist. Sie ist der Antrieb, aus dem die Meisterwerke der Kunst wie der Technik hervorgehen. Indem sie diese einzigartige Verbindung religiöser, wissenschaftlicher und künstlerischer Motive mit alternativen Sichtweisen vergleicht, etwa im Islam und in anderen Kulturkreisen, stellen Ausstellung und Buch das abendländische Weltbild und seine fragile Fähigkeit zur Sinngebung zur Diskussion.

Mit Werken unter anderem von Francis Alÿs, Kader Attia, Joseph Beuys, Cosima von Bonin, Andreas Gursky, Jonathan Horowitz, Sven Johne, Helmut & Johanna Kandl, Terence Koh, Igor & Svetlana Kopystiansky, Ingeborg Lüscher, Henri Michaux, Joseph Ignaz Mildorfer, Timo Nasseri, Paul Nougé, Reto Pulfer, Johann von Schraudolph, Shirana Shahbazi, Katharina Sieverding, Roman Signer, Thomas Struth, Fiona Tan, Javier Téllez, Jalal Toufic, James Turrell, Timm Ulrichs, Erwin Wurm sowie einer Vielzahl wissenschaftlicher und kulturhistorischer Exponate.

Wunder: Ausstellung: Deichtorhallen Hamburg

Samstag, 28. Januar 2012

Musik als Theologie


Die abendländische Musik ist voll von Religion und Theologie. Bislang gilt Musik aber eher als Rezipientin, weniger als Produzentin von Theologie. Schroeter-Wittke fragt in umgekehrter Richtung, wie Musik Theologie treibt, wobei er weit über kirchenmusikalisches Repertoire hinaus geht. In Werkstudien werden musikwissenschaftliche und theologische Zugänge in ungewöhnlicher Weise miteinander ins Gespräch gebracht, z.B., wenn Johann Kuhnaus Biblische Sonaten von 1700 als private Religionspädagogik analysiert werden. Querschnitte durch die neuzeitliche Musikgeschichte bieten die Themenstudien z.B. zum Paradies als Thema der Musik von Bach bis Berg. Phänomenstudien verbinden schließlich kulturanthropologische und theologische Fragestellungen, z.B., wenn Rhythmus als theologisches Ereignis reflektiert wird. So entstehen kulturwissenschaftlich grundierte Beiträge zur Theologie von Laien, die eine wenig beachtete emotionale Saite der Kirchengeschichte zum Klingen bringen.

Harald Schroeter-Wittke, Dr. theol. habil., Jahrgang 1961, ist Professor für Didaktik der Evangelischen Religionslehre mit Kirchengeschichte am Institut für Evangelische Theologie der Fakultät für Kulturwissenschaften der Universität Paderborn. Er ist Mitglied im Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentags und Mitglied der Liturgischen Konferenz Deutschlands. 

Harald Schroeter-Wittke: Musik als Theologie: Studien zur musikalischen Laientheologie in Geschichte und Gegenwart, Leipzig 2010