Dienstag, 23. August 2016
Open Spaces
KBI 10 Open Spaces - Räume religiöser und spiritueller Vielfalt (2016). 1. Auflage. Marburg: Jonas (KBI, 10).
Es gibt zahlreiche Beispiele für die Begegnung von verschiedenen Religionen in der modernen Zivilgesellschaft. In der Gestaltung von multireligiösen Räumen verschafft sich die Begegnung Ausdruck und konkrete Form. In Flughäfen, Krankenhäusern, ehemaligen Kirchen oder Universitäten, in Landschaftsparks, Parlamentsgebäuden und Schulen sind sie zu finden.
Dieser Band stellt anhand der Bilder einer Ausstellung die Vielfalt solcher Räume vor. In den Beiträgen aus unterschiedlichen Perspektiven von Theologie, Kunst und Religionswissenschaften, Architektur, Fotografie und Soziologie werden verschiedene Aspekte reflektiert, die für die Gestaltung wichtig sind.
Das Buch benennt Fakten und illustriert den aktuellen Stand. Begegnungen und Projekte gelingen und misslingen, es braucht gute und nachhaltige Konzepte. Der Band bietet eine umfassende Grundlage für diejenigen, die planen, einen solchen Raum zu gestalten.
Mittwoch, 3. August 2016
Kurt Marti
Bühler, Pierre; Mauz, Andreas (Hg.) (2016): Grenzverkehr. Beiträge zum Werk Kurt Martis. Göttingen, Niedersachs: Wallstein.
Kurt Marti: ein Name, der für ein Werk ganz eigener Signatur steht, für ein Leben und Schreiben, das kaum auf eine Kurzformel zu bringen ist. Als evangelischer Pfarrer hat Marti bibelexegetische Arbeiten und Predigten vorgelegt; zugleich ist er eine zentrale Figur der neuen Schweizer Mundartdichtung. Als an der konkreten Poesie geschulter Lyriker wird er zum Erneuerer der geistlichen Dichtung. Interessiert an der Valenz des Einzelworts betätigt sich Marti gleichermaßen als Sprachkritiker, -spieler und -sammler. Sei es in seiner Lyrik, seiner Prosa, im Tagebuch oder im Essay, immer erweist er sich als politisch und poetologisch reflektierender und Position beziehender Zeitgenosse. Der vorliegende Band exploriert Martis 'Multiversum' (Elsbeth Pulver). Er situiert seine Schriften in ihren jeweiligen Kontexten und fragt danach, wie sie in die Gegenwart sprechen.
Zwischen Schloss und Irrenhaus
Dücker, Burckhard; Röske, Thomas; Vögele, Wolfgang (Hg.) (2016): Zwischen Schloss und Irrenhaus. Die Aufzeichnungen Hermann Paternas entschlüsselt und kontextualisiert von einer studentischen Arbeitsgruppe. Prinzhorn-Sammlung. Heidelberg.
Als Gegenpol zum akademisch gebildeten Avantgarde-Künstler Paul Goesch widmet die Sammlung Prinzhorn eines ihrer Kabinette dem Schneidergesellen Hermann Paterna (1870-1913). Im Mittelpunkt des studentischen Ausstellungsprojekts „Zwischen Schloss und Irrenhaus – Die Aufzeichnungen Hermann Paternas“ steht das Notizheft des Gesellen aus seiner Zeit in der Heidelberger Psychiatrischen Klinik 1906, das vier Promovendinnen unter der Leitung von Prof. Dr. Burkhardt Dücker und PD Dr. Wolfgang Vögele transkribiert und kulturhistorisch eingeordnet haben. Die kleine Schau wirft damit ein Schlaglicht auf die kreative Hinterlassenschaft eines Handwerkers, den es an den Rand der Gesellschaft verschlagen hatte.Paterna nutze sein Notizbuch vielseitig: Er notierte, skizzierte oder kritzelte verschiedenste Lieder, Briefe, Lebensläufe, Risszeichnungen und Bilder. Dieses schwer entzifferbaren Sammelsuriums, das in der Sammlung Prinzhorn aufbewahrt wird, nahm sich seit 2014 eine Arbeitsgruppe an der Heidelberger Graduiertenschule für Geistes- und Sozialwissenschaften an. Die studentische Gruppe verortete Paternas Schicksal zum einen mit Hilfe historischer Quellen über das Dasein von Handwerkern um 1900. Sie verglich seine autobiographischen Aufzeichnungen, die viel über das Wanderleben des Gesellen mitteilen, mit damals üblichen Lebensläufen. Außerdem wertete sie die zahlreich notierten Liedtexte daraufhin aus, was sie über die Schulbildung und die Geselligkeit Paternas, aber auch über seine Kreativität verraten. Denn den Liedtexten fügte er immer wieder eigene Zeilen hinzu.Daneben untersuchten die vier Teilnehmerinnen aber auch die Krankenakte Paternas und verglichen die festgehaltenen biographischen Daten mit fiktiven Momenten in den autobiographischen Texten. Grund hierfür ist, dass der Geselle der festen Überzeugung war, von adeliger Abstammung zu sein, und glaubte, er sei als Kind von Zigeunern verschleppt worden. Schließlich wurde auch das Verhältnis von Bild und Text im Notizbuch untersucht. Denn neben berufsspezifischen Skizzen für Kleidung finden sich teilweise sehr fantasievolle Bildschöpfungen, die geradezu surrealistische Qualitäten entfalten.Ein Gefühl dafür, welcher Aufgabe sich die Studentinnen beim Entziffern und Transkribieren des Notizheftes in die heute gängige Lateinschrift stellten, kann man beim Besuchs des Kabinetts ebenfalls bekommen: Auf einem Pult liegen Kopien der Notizheft-Seiten sowie eine Alphabet der Kurrentschrift. Jeder darf sich dort gerne selbst an die Arbeit machen und die Handschrift Paternas entschlüsseln. Außerdem möchte die Arbeitsgruppe die Besucher zum Nachdenken darüber anregen, welche Parallelbiografie sie für sich selbst erfinden möchten. Ideen dazu können auf bereitliegenden Zetteln notiert und auf der Pinnwand hinterlassen werden.
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